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Impro

Improtheater kann euch helfen, besser im Team zu arbeiten.

In vielen (größeren) Firmen wird im Bereich der Webtechnologie viel in kleinen Teams gearbeitet. Agile Methoden wie Scrum oder Kanban werden genutzt, um den heutigen Erfordernissen der Produktentwicklung zu genügen.

Gerade mit Scrum werden viele Webmenschen schon mal in Berührung gekommen sein. Ein Team aus 4 bis 7 Leuten, einer davon als Scrum Master, und noch ein Product Owner dazu. Zur Organisationsstrukturierung gibt es Meetings, in denen Aufgaben definiert werden, der momentane Arbeitsfortschritt besprochen wird oder in denen ein Blick zurück auf die letzte Arbeitsphase geworfen wird.

Der Scrum-Prozess selber kann sehr hilfreich sein, um komplexe Aufgabenstellungen im Team zu meistern. Das Befolgen dieses Scrum-Rezepts allein macht allerdings noch keinen gelungenen Braten. Wenn gewisse Grundlagen im Team nicht gegeben sind, kann auch Scrum nicht funktionieren.

Grundlage für Scrum, damit es wirklich funktioniert, ist eine solide Basis des Vertrauens zwischen den Teammitgliedern, eine erhöhte Sensibilisierung der eigenen Wahrnehmung und die Bereitschaft, andere Sichtweisen und andere Lösungswege zuzulassen (Akzeptanz).

Diese drei Grundbausteine: Vertrauen, Wahrnehmung und Akzeptanz sind wichtig, damit Arbeit im Team gut funktionieren kann. Dass diese Dinge natürlich wichtig sind, bestreitet niemand, aber allzu oft wird angenommen, dass sie sich schon irgendwie ergeben werden. Dass man an ihnen arbeiten muss, dass sie nicht als gottgegeben gesehen werden können, merken die Leute oft erst, wenn es nicht mehr flutscht, obwohl sie doch Scrum machen.

Illustration: Impro (Buchstabe I im »ABC für Webmenschen«»)

Das Arbeiten in einem Scrum-Team erinnert ein wenig an die Arbeit eines Improtheaterensembles. Beim Improtheater spielen die Schauspieler Geschichten, ohne sich vorher abgesprochen zu haben, was sie genau spielen wollen. Szenen fangen an beliebigen Orten, mit einer beliebigen Zahl von Spielern an. Stück für Stück werden Charaktere entworfen, Beziehungen zwischen diesen Figuren ersponnen. Es entwickelt sich eine Handlung und nach und nach vielleicht eine Geschichte, mit Spannungsbogen, einem Helden, einem Geheimnis, einem Happy End, einer Moral und was man sonst noch von Geschichten gewohnt ist.

Oft denken die Zuschauer, die Schauspieler hätten sich doch vorher irgendwie abgesprochen, wie könnte sonst eine solche Geschichte gespielt werden?

Bei Scrum ist zwar schon einiges abgesprochen und das zu erreichende Ziel ist sehr klar formuliert, aber der Weg zu diesem Ziel ist sehr frei wählbar. Die Entwickler müssen also ohne festgelegtes Prozedere, ohne Regie eine Aufgabe bewältigen. Dies gelingt dem Scrum-Team, genau wie den Schauspielern des Improtheaters, wenn sie die Grundbausteine Vertrauen, Wahrnehmung und Akzeptanz zum Grundpfeiler ihrer Arbeit machen.

Als Darsteller muss ich das Vertrauen in meine Mitspieler haben, dass sie den »Ball«, den ich ihnen zuwerfe, schon fangen werden.

Damit ich die nötige Lockerheit habe, um überhaupt ohne eine Idee auf die Bühne zu gehen, kann mir das Vertrauen in meine Mitspieler helfen. Fällt mir nichts ein, wird mir sicher jemand zur Hilfe eilen. Da Improspieler eine erhöhte Fremd- und Selbstwahrnehmung haben sollten, sehen sie zum einen Details im Spiel des Gegenübers, die sie wieder selber als Ideengeber nutzen können. Zum anderen merken sie aber auch schnell, auf was der andere Spieler hinauswill, und können sein Spielangebot entsprechend bedienen. Um die Idee anderer Spieler annehmen zu können und zu wollen, bedarf es erhöhter Akzeptanz, denn oft muss ich meine eigene Idee fallen lassen und das Spielangebot des Gegenübers annehmen. Die ganze Kunst besteht in einem guten Maß von Geben und Nehmen.

Diese Grundbausteine können mit gezielten Übungen geschult werden. Improspieler trainieren genau wie alle anderen Menschen ihre Profession. Zwar werden nicht konkrete Szenen eingeübt oder Versatzstücke von Handlungen, aber es werden Übungen genutzt, die die oben erwähnten Eigenschaften verstärken. Und sie müssen viel miteinander spielen.

Daraus kann man für Scrum folgern, dass ein Scrum-Team möglichst lange als Gruppe miteinander arbeiten und durch Übungen – zum Beispiel aus dem Improtheater – den inneren Zusammenhalt der Gruppe festigen sollte.

Ach ja, noch was: Improtheater macht auch noch sehr viel Spaß. Vielleicht auch nicht so schlecht, oder?

von Guido Boyke