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Entscheidend is’ auf’m Platz

»Grau is’ im Leben alle Theorie – aber entscheidend is’ auf’m Platz.« (Adi Preißler, BVB-Kapitän und Deutscher Meister)

Wir bauen Websites. Wir setzen Geschäftsideen im Netz um. Wir schreiben Apps für das Smartphone. Und wir dürfen bei all diesen Aktivitäten eines nicht aus den Augen verlieren: warum machen wir das eigentlich, für wen machen wir das?

Was nützt es?

Ohne Nutzen ist alles nichts. Es ist egal, wie schön und wie fancy eine Anwendung daherkommt. Wenn sie nicht genug Nutzen bietet, dann ist sie wahrscheinlich überflüssig. Oder sie ist Kunst.

Meistens möchten wir uns aber nicht künstlerisch ausdrücken, sondern ein konkretes Problem lösen.

Es gibt viele Webprojekte, über wir uns ganz gerne das Maul zerreißen. Oft wirken sie altbacken, aus der Zeit gefallen. Über Design glaubt jeder mitreden zu können. Und es macht auch jeder. Wirklich jeder. Denn selbst wenn man gar keine Ahnung hat: über Äußerlichkeiten kann man auf jeden Fall etwas sagen. Über Geschmack kann man halt doch streiten.

Natürlich ist es leicht, sich über gewachsene Anwendungen lustig zu machen, weil sie manchmal wie in die Jahre gekommene Kommunionsanzüge wirken. Da zwickt es hier und dort und auch das Revers trägt zu dick auf.

Manchmal ist dieses Aus-der-Modegekommensein aber auch ein positives Zeichen. Nämlich ein Zeichen dafür, dass etwas schon lange da ist. Dass es bis zum heutigen Tage einen Zweck erfüllt hat. Einen Nutzen hat.

Ja, Ebay ist zum Beispiel so ein Kommunionsanzug, und auch Craigslist, ein Kleinanzeigenmarkt, war nie schön anzusehen. Diese Website verzichtet fast vollständig auf modernes Design. Auch in den letzten Jahren waren die Anpassungen moderat. Craigslist hatte aber zuletzt 50.000.000.000 Seitenabrufe pro Monat (Stand 2017).

50 Milliarden.

Manchmal machen wir Webmenschen uns ja über solche Seiten lustig, so wie wir es auch mit anderen Menschen machen:

Klar ist der Kerl superintelligent. Er sticht mit seinem scharfen Verstand alle anderen aus. Aber … beginnen wir dann … aber … dafür ist er auch hässlich. Oder riecht schlecht, oder was uns sonst so an Demütigungen einfällt. Weil wir es nicht ertragen können, dass derjenige besser ist. Er ist besser in etwas, worin wir selbst auch gerne gut wären. Und das nervt. Und deswegen machen wir ihn da fertig, wo er uns nicht überlegen scheint.

So ist es auch bei diesen Projekten und Webangeboten. Lasst uns nicht nach Haaren in der Suppe suchen, sondern anerkennen, dass es sich um sehr, sehr erfolgreiche Webangebote handelt und die meisten von uns sowas gerne selbst zustandegebracht hätten.

Viel interessanter als das Herummäkeln und Lästern wäre doch die Frage: Warum sind die so erfolgreich, obwohl sie doch so abgeranzt daherkommen? Was macht den Kern ihres Erfolges aus?

Wenn wir uns diese Fragen beantworten können, dann haben wir die Chance, etwas zu lernen. Und aus Neid wird vielleicht Anerkennung.

Denn: Grau is’ im Leben alle Theorie – aber entscheidend is’ auf’m Platz.

von Guido Boyke